09.07.2012 – Lausitzer Rundschau


Wie Doki auf die Leinwand kommt

Felle der Gerberei Oettrich sind Requisiten für einen Kinofilm / „Der Medicus“ ist das nächste Filmprojekt

Doberlug-Kirchhain Was hat eine Filmproduktion mit Doberlug-Kirchhain zu tun? Die sicher schnellste Antwort: Das Kloster der Stadt dient als Kulisse. Eine Vermutung, die nahe liegt, aber nicht zutrifft. Nicht zum ersten Mal kommen Requisiten für einen Streifen aus Doberlug-Kirchhain – genau genommen aus einer Gerberei der Stadt.

Andreas (r.) und Gerbermeister Manfred Oettrich von der gleichnamigen Gerberei in Kirchhain. Foto: mcl

Seit März dieses Jahres laufen die Dreharbeiten in Mitteldeutschland. Das Schloss Kettenburg – eine Burganlage in Gräfentonna (Landkreis Gotha) – bietet die Kulisse für die europäische Co-Produktion (deutsch-ungarisch-österreichisch-französisch). Es ist ein Film, der 2013 in die Kinos kommen soll. „Das große Heft“ von Agota Kristof (1935-2011) – sie war eine ungarisch-schweizerische Schriftstellerin, die in französischer Sprache schrieb – ist ein Antikriegsdrama und dient als Filmvorlage. Die erste Buchveröffentlichung erfolgte in Französisch im Jahr 1986. Das Buch wurde in über 30 Sprachen übersetzt und ist mit mehreren Preisen dotiert worden.

Zurück zum Drehort: Das einstige gräfliche Schloss wurde bis Anfang der 1990er-Jahre als Gefängnis genutzt. Eine leere Gaststätte in Gräfentonna dient als Schauplatz einer Taverne im Film. Und ein Raum im Schloss wurde zur Schuhmacherei umfunktioniert. Requisiten eines örtlichen Trödelhändlers und Felle aus der Doberlug-Kirchhainer Gerberei von Manfred und Andreas Oettrich prägen die Szenerie. Detailverliebt zeigt sich die Schuhmacherwerkstatt im Erdgeschoss. Denn, wo vorher nur ein leerer, kalter Raum höchstens noch an die DDR-Vergangenheit des einstigen Schlosses als Gefängnis erinnert, reihen sich zig Paar braune und schwarze, feine und derbe Schuhe an den Wänden, liegen Leisten und Stiefelknechte bereit und hängen Lederzuschnitte aus Doberlug-Kirchhain an Schnüren unter der Decke. Im Film verpasst ein Offizier in dieser Kulisse einem der Zwillingsbrüder – die Hauptfiguren im Streifen – in einer dunklen Nische eine Ohrfeige, die ihn vom Schemmel schleudert… Doch wie kommen Filmemacher ausgerechnet an die Doberlug-Kirchhainer Gerberei? Im Internet hatte sich die Ausstatterin des Films „Das große Heft“ bis nach Kirchhain durchgearbeitet, erzählt Manfred Oettrich. „Klar, ein Glücksfall“, bestätigt der Gerbermeister. „Das Verleihen von Lederstücken und Fellen macht nicht reich, aber ist ein kleines Zubrot und interessant ist es allemal“, sagt Oettrich und hat erfahren: „Mit knappen Budgets wird auch dabei gearbeitet. Über die Filmemacherei mehr zu erfahren, ist interessant. Man beschäftigt sich mal mit etwas Anderem. Wenn wir die Freigabe erhalten, dann kommen bald Bilder vom Dreh auf unsere Homepage.“

Schnell war der Lieferschein für 50 gegerbte Requisiten ausgestellt und die Ware abgeholt. Mittlerweile sind diese wohlbehalten wieder zurückgekommen. Schließlich stand vor etwa drei Wochen bereits die nächste Filmausstatterin vor der Kirchhainer Gerberei-Tür und erklärte, Requisiten für den Film „Der Medicus“ zu suchen. „Da wir keine schlechten Erfahrungen gemacht haben, zögerten wir auch diesmal nicht lange und verliehen unsere Felle. Nein, nicht die letzten“, lacht Oettrich. Der Film, so kann man im Internet nachlesen, läuft unter der Regie von Philipp Stölzl. Die Dreharbeiten zur Filmadaption von Noah Gordons Weltbestseller haben am 19. Juni begonnen. Die weibliche Hauptrolle spielt Emma Rigby. Neben ihr werden Tom Payne (Medicus), Ben Kinsley (Ibn Sina), Stellan Skarsgard (Barber), Oliver Martinez (Schah Ala ad-Daula) und Elyas M. Baraek (Karim) spielen. Gedreht wird bis zum September in Thüringen, Sachsen-Anhalt, Berlin, Köln und in Marokko. Es ist das Großprojekt der UFA Cinema für 2012. Ins Kino kommt „Der Medicus“ 2013. Manfred Oettrich und sein Bruder Andreas sind gespannt darauf, wann sie einen der Filme sehen und die Wirkung ihrer Requisiten beurteilen können. Solange bleiben sie dabei und ziehen ab September wieder anderen das Fell über die Ohren, gerben es und machen es zu Geld.

Mona Claus