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Hans-Georg Procopius:
Die Geschichte des Gerberhandwerkes in der Stadt Doberlug-Kirchhain

erschienen 2007

Auszüge aus dem Büchlein:

Blüte und Niedergang eines Wirtschaftszweiges

Ursprünge des Gerberhandwerks

Die Anfänge der Gerberei gehen zurück bis in die Ur- und Frühgeschichte. Seit jeher bemühten sich die Menschen, die ihnen zur Verfügung stehenden Ressourcen möglichst vollständig zu verwerten. So diente schließlich die Jagdbeute nicht allein der Nahrung, sondern alles Verwertbare wurde verarbeitet: die Knochen waren Ausgangsmaterial zur Herstellung bestimmter Werkzeuge, und man erkannte im Laufe der Zeit, dass die Tierhäute unter anderem zu Bekleidungszwecken geeignet waren, nachdem man sie in bestimmter Weise durch das Gerben aufgearbeitet hatte. Beim Gerben handelt es sich um die Behandlung von Tierhäuten zur Haltbarmachung, d.h. die Häute faulen nicht mehr, trocknen nicht horn-artig aus und verleimen auch nicht mehr unter Einwirkung höherer Temperaturen. Die Rohhaut wird zum Leder.

Eine der ersten Gerbmethoden war vermutlich das Einkneten des anhaftenden Hautfettes zusammen mit dem Gehirn und Knochenmark des erlegten Tieres. Ebenso erreichte man durch das Räuchern der Rohfelle auch eine gewisse Gerbwirkung. Die vermutlich ältesten Gerbverfahren sind: Fett- oder Sämischgerbung durch tierische Fette und Fischtran, Lohgerbung, die Gerbung mit pflanzlichen Stoffen, d.h. Baum¬rinden, Hölzern, Blättern, Früchten, die Weiß- oder Glacegerbung mit Aluminiumsalzen (Alaun). Bis ins Mittelalter gerbte jeder lederverarbeitende Berufsstand sein Leder selbst. Erst als sich Ende des 16. bis Anfang des 17. Jahrhunderts die Arbeitsteilung verstärkt durchsetzte, erfolgte auch eine Aufspaltung in die Berufe der Gerber und Lederverarbeiter, wie z.B. Schuhmacher, Sattler, Beutler (Lederbekleidungs- und Handschuhmacher), Täschner.

Die Schafledergerberei in Kirchhain wurde durch die großen Schafherden in der näheren und weiteren Umgebung sowie durch die damalige 3-Felder-Wirtschaft begünstigt. Das damals noch stetig fließende und vor allem weiche und eisenfreie Wasser der Kleinen Elster eignete sich außerdem besonders gut zum Weißgerben.
Die Gerber zählten im Mittelalter, genau wie die Abdecker, zu den unreinen Berufen. Sie mussten ihre Arbeit am Stadtrand oder vor der Stadt verrichten. Erst als aus der Rohhaut Leder geworden war, waren die Berufe zur Weiterverarbeitung höchst ehrbar. Alle Gewerke, die mit rohen Häuten umgingen, wurden in der Kirchhainer Stadtordnung von 1625 als Schuster bezeichnet. Der betreffende Absatz dieser Stadtordnung ist gleichzeitig der erste Hinweis auf Gerber in Kirchhain. Dort wurde festgelegt: „Es sollen die Schuster bey Brauens Zeit die erholten Leder oder Häute beym Abdecker, zu beyden Thoren in die Stadt, gar nicht in die Elster bringen, noch bey den gemeinen Brunnen die Leder schaben noch zurichten bey Straffe 20 gr.“ Das bedeutet, dass der heute als scherzhaft abgetane derbe Spruch:

„Der Bürgermeister gibt bekannt: Heute darf nicht in den Bach geschissen werden, denn es wird Bier gebraut,“ einst der bitteren Wahrheit entsprach. Die aus den Beutlern und Täschnern hervorgegangenen Kirchhainer Weiß-und Sämischgerber wurden erstmals 1627 in den Akten der „Meißener Haupt- und Kreislade in Dresden“ genannt, doch ist nicht bekannt, wie viele Weiß- und Sämischgerber es hier zu damaliger Zeit gab.2 In den hiesigen Kirchenbüchern sind nur wenige genannt; z.B.

1667 – 69 =3
1686 = 5
1710 – 13 =7.

Im historischen Ortslexikon der Niederlausitz von Rudolph Lehmann sind für 1786 neun Weißgerber und für 1814 elf Weißgerber genannt. Mit der Gründung Dobrilugks 1664 siedelten sich auch in dieser Stadt Gerber an:
Bis 1693 waren es drei Weißgerber und vier Lohgerber.3 Laut Ortslexikon gab es 1786 sieben Lohgerber, zwei Weißgerber, und 1814 vier Lohgerber und zwei Weißgerber, doch hat das Gerberhandwerk in Dobrilugk nie die Bedeutung erreicht wie in Kirchhain.