28.03.2008 – Die Rheinpfalz


Salzen, Trocknen, Schleifen und Walken

Manfred Oettrich ist einer der letzten Gerbermeister in Brandenburg – 400-jährige Tradition

Doberlug-Kirchhain. Ein unangenehmer Geruch dringt in die Nase. Schweißperlen laufen Manfred Oettrich über die Stirn. Er reinigt die Rückseite eines abgezogenen Schaffells mit einem großen Messer. Der 42-Jährige aus Doberlug-Kirchhain (Kreis Elbe-Elster) ist einer der letzten Gerbermeister Brandenburgs. Das einst weit verbreitete Handwerk ist heute fast ausgestorben.

Hat den Schritt in die Selbstständigkeit gewagt: Gerbermeister Manfred Oettrich bearbeitet in seiner Werkstatt in Doberlug-Kirchhain Felle und Häute, die ihm die Jäger, Kaninchenzüchter und Schäfer bringen.
Foto: dpp

Oettrich übt den Beruf des Gerbermeisters bereits in fünfter Generation aus. Er hat das Handwerk im väterlichen Betrieb von der Pike auf gelernt und 1987 die Meisterprüfung abgelegt. Er war damit jüngster Gerbermeister der DDR. Momentan hat er wenig zu tun, da zurzeit keine Jagdsaison ist. «Es ist schwierig, die drei Sommermonate zu überbrücken», gibt er zu. Doch langsam kommen die Kunden wieder. Sein Einzugsbereich erstreckt sich dabei auch dank Internet weit über die regionalen Grenzen hinaus. So habe er beispielsweise schon Dachsfelle aus dem Allgäu oder Material von der Insel Rügen zugeschickt bekommen. Jäger, Schäfer und Kaninchenzüchter bringen ihm die Tierhäute.
Im September 2006 hat Oettrich den Schritt in die Selbstständigkeit gewagt – nachdem der Betrieb seines Vaters seit Jahren ruhte. Der 42-Jährige führt damit die fast 400-jährige Tradition des Gerberhandwerkes in Doberlug-Kirchhain fort. In dem Ort wurden um 1900 die Hälfte aller Schaffelle des Deutschen Reiches verarbeitet, etwa 1,4 Millionen pro Jahr.
Damals gab es in der Stadt rund 100 Gerbereien. Ein Grund für den starken Produktionsstandort war die Kleine Elster – ein Fluss, der das für die Gerbung benötigte besonders weiche Wasser mit sich führte. Deshalb siedelte der Großvater von Oettrich sich direkt an dem Gewässer an.

Häute werden zuerst konserviert

Bis zum fertig gegerbten Fell sind viele Arbeitsschritte nötig. Um den beginnenden Fäulnisprozess zu stoppen, werden die Häute nach dem Abziehen zuerst konserviert. Bei großen Tieren wie Rindern oder Schweinen wird von Haut gesprochen, bei Schafen und Ziegen von Fell. Die gängigste Methode ist das Salzen, wodurch der Haut das Wasser entzogen wird. Kleinere Felle, auch Balg genannt, können getrocknet werden. Vor dem Gerben muss die Haut von Schmutz und Fettresten gereinigt werden. Das kostet Kraft und riecht unangenehm. «Daran habe ich mich schon als Kind gewöhnt», sagt Oettrich, den der Geruch nicht stört.
Eine Salz-Säure-Lösung bringt das Material auf einen bestimmten pH-Wert, der für die nachfolgende Gerbung wichtig ist. «Gerbstoffe werden in das Fasergefüge der Haut eingelagert, wodurch die lange Haltbarkeit erreicht wird», erklärt der Handwerker. Ab diesem Zeitpunkt spricht man von Leder. Nach Gerben, Fetten und Trocknen erhält das Fell seinen Feinschliff.

Pelze als Trophäen

Mit der Schleifmaschine werden Unebenheiten ausgebessert, zudem erhält das Material im Walkfass seine weiche Konsistenz. Nach etwa acht Wochen ist das gegerbte Fell fertig. Aus den Fellen werden anschließend Vorleger, Westen oder Handschuhe gefertigt. Jäger hängen die Pelze auch gern als Trophäen an die Wand. Doberlug-Kirchhain liegt etwa 110 Kilometer südlich von Berlin. Zu DDR-Zeiten war die Gerberstadt der Hauptstandort zur industriellen Lederproduktion. Mit der Wende kam das Aus für die 14 privaten Gerbereien und die volkseigene Lederfabrik. Das Weißgerbermuseum zeigt die Geschichte des Handwerks und arbeitet mit Oettrich zusammen, der Gästen gern die praktischen Arbeiten zeigt.

DPP-Korrespondent Lars Hartfelder